↓↓ Contemporary art articles - older art articles →→Page one|Artists abc |Read about| See exhibitons|The museums|The channel | German Art Archives

11/11/2015

Picasso, Pablo - Bucerius Kunstforum Hamburg

Pablo Picasso: Fenster zur Welt

Das Motiv des Fensters zieht sich durch das gesamte Werk Picassos. Es war für ihn weit mehr als ein alltäglicher Gegenstand. Wie die Ausstellung Picasso. Fenster zur Welt erstmals zeigt, galt Picasso das Fenster als Symbol der Malerei. Indem es das Sehen thematisiert und zwischen Innen und Außen vermittelt, steht es für künstlerische Selbstreflexion – ein in seiner Bedeutung bisher nicht erkanntes Moment, das alle Werkphasen verbindet. Die Ausstellung, von Ortrud Westheider kuratiert, deutet das Fensterthema als gemalte Bildtheorie. Vom 6. 02.2016 - 16. 05. 2016 versammelt das Bucerius Kunst Forum rund 40 Leihgaben aus internationalen Sammlungen wie dem Museu Picasso, Barcelona, dem Museo Picasso, Malaga, dem Musée Picasso, Paris sowie der Tate, London, dem Centre Pompidou, Paris oder dem MoMA, New York.

Immer wieder kehrte

>> 
Pablo Picasso 1881 Málaga † 1973 Mougins

zum Motiv des Fensters zurück, wenn er sich in Phasen der Neuorientierung mit den künstlerischen Grundfragen auseinandersetzte. Sie stellten sich ihm beim Übergang in eine neue Werkphase. Sie wurden durch einen Ortswechsel oder einen neuen Lebensabschnitt provoziert. Sie konnten von einem neuen Atelier angeregt werden, aus dem der Künstler eine neue Schaffensphase hervorbrachte.
Als 18-Jähriger malte Picasso in seinem Atelier in Barcelona seine erste Folge von Fensterbildern. Während das Fenster seit der Renaissance als Projektionsfläche einer Wirklichkeitskonstruktion erschien, markiert es in Picassos um 1900 entstandenen Gemälden die Trennung zwischen Außen und Innen: Das Atelierfenster wird als Schnittstelle zwischen Künstler und Welt eingeführt.
Bis in die 1920er Jahre folgten Fensterbilder, in denen ein Gegeneinander von Fläche und Raum, von Linie und Volumen verhandelt wird. Picasso verband das Fenstermotiv nun mit kubistisch zergliederten Gegenständen, die auf einem Konsoltisch vor dem Fenster liegen, und bezog erstmals den Blick auf den Horizont ein. Durch die bildparallele und flächige Darstellung entsteht der Eindruck, die Malerei wäre mit dem Fenster identisch. Das Licht des Außenraumes ist zugleich die Farbe auf der Leinwand.
Der Neubeginn nach dem Kubismus brachte Picasso 1925 wieder zum Motiv des Fensters zurück. Er thematisierte sein Skulpturenschaffen und ließ seine Erfahrungen mit der Bildhauerei in seinem Atelier im Schloss Boisgeloup in die Malerei zurückfließen. Zum ersten Mal erscheint ein um eine Silhouette ergänzter Kopf, den Picasso in der Folge in zahlreichen Werken im Zusammenhang mit Skulpturen vor Fenstern einsetzte. Schwarze Flächen bekommen ambivalente Bedeutungen. Ihre feste Gestalt im Fensterrahmen und Fenstergriff geht in die Schatten der dargestellten Büsten und Figuren über.
In den 1930er Jahren entstand eine Gruppe von Gemälden, in denen eine oder zwei Frauen vor einem Fenster dargestellt werden. Diese Bilder beschreiben das im Atelier anwesende Modell zeichnend oder lesend, ruhend oder wachend. In dieser Serie signalisiert das Fenster den abgeschlossenen, geschützten Raum müßiger Kontemplation.
Während des Zweiten Weltkriegs, im besetzten Paris, kam Picasso erneut auf das Fensterthema zurück. Stillleben mit Schädeln, ein wiederkehrendes Motiv in Picassos Werk zu dieser Zeit, lassen in Kombination mit dem Fenster kraftvolle Kompositionen entstehen: Die existentielle Bedrohung, die sich auch in dem Todesmotiv des Kreuzes zeigt, wie es durch den Fensterrahmen entsteht, paart sich mit dem Hinweis auf die Tradition altmeisterlicher Vanitas-Darstellungen.
Im Sommer 1955 bezog Picasso in Cannes eine Villa des 19. Jahrhunderts, deren ornamental gegliederte große Fenster den Blick auf die Palmen im Garten des Anwesens feierlich rahmten. Noch im selben Jahr entstanden elf hochformatige Gemälde, die eines der großen Jugendstilfenster des Ateliers im Erdgeschoss ins Zentrum stellen. Picasso bezeichnete sie als „Innere Landschaften“. (Text: Bucerius Kunstforum Hamburg)