↓↓ Contemporary art articles - older art articles →→Page one|Artists abc |Read about| See exhibitons|The museums|The channel | German Art Archives

12/05/2013

Götz, K. O.- New National Gallery Berlin

K. O. Götz: Abstrakt ist schön
Wirbelnde, explodierende Formen und zeichenhafte Schemen – die Bilder von 


sind radikal und rätselhaft. K.O. Götz ist ein Altmeister der abstrakt-gestischen Malerei und Mitbegründer des deutschen Informel. Als Mitglied der Künstlergruppe CoBrA, als Publizist und wichtiger Vermittler zwischen deutscher und französischer Avantgarde der 1950er und 1960er Jahre, war er eine umtriebige Figur in der internationalen Kunstszene der Nachkriegszeit. Bis ins hohe Alter widmete er sich der Malerei und entwarf spektakuläre großformatige Bildwelten. Zu seinem 100. Geburtstag zeigen die Neue Nationalgalerie in Berlin (13.12.2013 - 02.03.2014), das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst in Duisburg und das Museum Wiesbaden eine umfassende Retrospektive seines Werks.

Auf der Suche nach dem poetischen Ausdruck im Ungegenständlichen erforschte Götz die Möglichkeiten abstrakter Bildformen: In den frühen 1930er Jahren schuf er surrealistisch anmutende Fabelwesen, abstrakte Fotogramme und Fotoporträts. Ungeachtet eines Malverbots der Nationalsozialisten experimentierte er mit Abklatschverfahren, Spritzbildern und »Luftpumpenaquarellen«, in denen er Farben mittels einer Luftpumpe auf die Bildfläche sprühte. In seiner 1945 entstandenen „Fakturenfibel« entwickelte er kraftvolle Formmetamorphosen, die an die Variationen Willi Baumeisters (
* 1889 Stuttgart  1955 Stuttgart) oder des späten Paul Klee (1879 Münchenbuchsee † 1940 Muralto) denken lassen. Diese frühen Jahre legen den Grundstein für sein späteres Schaffen. Sie bezeugen Götz‘ systematische Suche nach einer unverbrauchten, visionären Bildsprache, losgelöst von klassischen Bild- und Zeichenbegriffen.
Beim Anrühren von Kleisterfarbe für seinen kleinen Sohn entdeckte er Anfang 1952 seine charakteristische, ganz auf gestischem Schwung und Geschwindigkeit basierende Rakeltechnik: Feuchter Kleistergrund ermöglichte ihm den schnellen, spontanen Bewegungsablauf mit dem die zuvor aufgetragene, noch flüssige Farbe aufgerakelt und weggeschleudert wurde. Positiv und Negativ, Vorder- und Hintergrund der Bildfläche gingen ineinander über und lösten jedes räumliche Empfinden auf – zurück blieb der Eindruck rasanter Formwechsel. Das Ergebnis sind energetische Bildwelten, die das Auge gefangen nehmen und sich jeder Bedeutungszuschreibung verweigern.  
Das Zufällige ist stets wichtiger Teil von K.O. Götz‘ Arbeit und doch sind seine Werke im selben Maße vorab geplant. Die Strukturen der berühmt gewordenen Rakelbilder entstanden nach zahlreichen Vorzeichnungen, in denen Richtungsverläufe und Massenverteilungen festgelegt wurden. Diese Skizzen wirken wie Regieanweisungen  und bilden das Grundgerüst zu seinem ansonsten spontan-eruptiven Schaffensprozess. In seriellen Abfolgen, gleich einem filmischen Verfahren, untersuchte Götz die komplexen Variationen seiner Formen. So sieht man neben explodierenden Strukturen, gestischen Zeichen und Zufälligem auch serielle Prozesse und variationsreiche Bildschemata, die den Werken gleichermaßen Dynamik und Ordnung verleihen. Nicht umsonst bezeichnete der Schriftsteller Franz Mon diese mit höchstem Tempo ausgeführten Arbeiten als »kinetische Bilder« . In teils über Jahre hinweg entwickelten Bildschemata entfaltete Götz sein Werk auf analytische, ja wissenschaftliche Weise. Gänzlich anders als beispielsweise sein Zeitgenosse Jackson Pollock verweigert er sich denn auch jeder psychologisierenden Auslegung seines Werks. Seine Bilder sind weder Ergebnis ungesteuerter emotionaler Ausbrüche noch subjektiver Niederschriften. Vielmehr entstehen sie in einem Wechselverhältnis aus spontanem körperlichen Akt und systematischer Erforschung der Malerei und ihrer Möglichkeiten.

In Zeiten in denen sich die Malerei zwangsläufig immer wieder neu positioniert und erfindet – die Berliner Schau »Painting Forever!« im letzten Jahr thematisierte dies in großem Stil – stellt sich die Frage, wo sich die gestisch-abstrakte Malerei von K.O. Götz heute verortet. Die Überblicksschau in der Neuen Nationalgalerie führt die konsequenten Entwicklungen seines Œuvres vor Augen und belegt Götz’ Zeitgenossenschaft auf eindrucksvolle Weise. Die künstlerische Freiheit des dynamischen Malaktes, sein offener Begriff von Zeichen- und Bildsprache und das zugleich kritisch-analytische Denken, das sich in Götz’ Werk offenbart, bildeten eine wichtige gedankliche Grundlage für die Kunst nachfolgender Generationen. Zu Götz’ Schülern zählen so berühmte Maler wie Gotthard Graubner, H.A. Schult oder Gerhard Richter (
* 1932 Dresden), der ebenfalls einen Rakel benutzte und die Möglichkeiten der Malerei fortwährend zu hinterfragen und erneuern versucht. Zugleich wird deutlich, dass Götz mit seinem Werk Fragen stellt, die nicht nur die zeitgenössische Kunst betreffen: Welchen Erkenntniswert hat die Malerei? Wie steht es um den semantischen Gehalt (abstrakter) Zeichen und Formen? Und wie lassen sich veraltete Zeichensysteme erneuern?
Die Geschwindigkeit seiner abstrakten Bildwelten, die Vielfalt und intendierte Unbestimmtheit seiner Zeichen vermitteln eine Aktualität, die durch unsere von digitalen Bildern geprägte Wahrnehmung noch verstärkt wird. Seit Jean Baudrillard oder Marshall McLuhan weiß man, dass man sich mit den Oberflächen der digitalen Welt, mit ihren Zeichen und Vermittlungsebenen, kritisch auseinander setzen muss. Die unzähligen Bildinformationen, die tagtäglich auf uns einprasseln und das Denken bewusst und unbewusst steuern, erfordern von den Künstlern, die ihre Auswirkungen interpretieren und verbildlichen wollen, eine Reflexionsanstrengung, der Götz mit seinen abstrakt-kinetischen Bildern vorzugreifen schien.

Ende der 1950er Jahre forschte er auch an so genannten »elektronischen Bildern«. Nach Regeln der Informationstheorie schuf er Rasterbilder, in denen er – ähnlich den Pixeln eines Computerscreens – kleinste Informationseinheiten, quadratische Bildpunkte, zeichnete, die er auf die Summe ihrer unzähligen formalen Möglichkeiten hin statistisch überprüfte. Diese »Statistisch-Metrischen Modulationen« und ihr flirrendes Rauschen wirken wie Vorboten der zukünftigen Medienästhetik. Obschon er diese Werke und ein daraus entstandenes Filmprojekt nicht zu seiner künstlerischen sondern wissenschaftlichen Arbeit zählt, wurden sie zu einer wichtigen Inspirationsquelle der Medienkunst.

Götz’ Werk thematisiert die Unwägbarkeiten der visuellen Wahrnehmung, ihre Bandbreite und ihre blitzartig ablaufenden Prozesse. Folglich erschafft er eine bewegte und gänzlich offene Bildsprache, die die Vielfalt möglicher Zeichen spiegelt –  es öffnet sich ein unendliches Feld interpretativer Möglichkeiten . So gilt auch bei K.O. Götz, um mit den Worten McLuhans zu sprechen, dass das Medium, die Malerei selbst, die Botschaft ist, und weniger vermeintlich interpretierbare Symbole oder Zeichen im Bild.

Götz’ Werke fordern dazu auf, unsere Vorstellung vom Wesen der Malerei und der Rolle altbekannter Zeichensysteme zu überdenken. Man kann aber auch die eindringliche Schönheit seiner Bilder entdecken. So ist es ein Ziel der Ausstellung, diesen wichtigen Künstler und sein Schaffen wieder in das Bewusstsein der Gegenwart zu rücken. Denn sowohl an Aktualität als auch malerischer Kraft hat Götz’ Werk nicht verloren. (Text: Verein der Freunde der Nationalgalerie e.V.)