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11/25/2013

Bramer, Leonaert - Pinakothek der Moderne München

Leonaert Bramer - BETTLER, DIEBE, UNTERWELT

Vom 05.12.2013 – 09.03.2014 zeigt die Pinakothek der Moderne in München eine Ausstellung des Niederländers


Bramer war einer der produktivsten Künstler des „Goldenen Zeitalters“. Konkurrenzlos pflegte er eine ungewöhnliche Besonderheit: gezeichnete Illustrationsfolgen zur damals zeitgenössischen Literatur wie auch zu historischen Texten.
Die Staatliche Graphische Sammlung München verwahrt zwei umfangreiche Sets zu
spanischen Romanen, die erstmals ausgestellt werden.

Leonaert Bramers gezeichnete Illustrationsfolgen
Als Zeichner zählt Bramer zu den produktivsten holländischen Zeichnern im
„Goldenen Zeitalter“. Rund 1.300 Blätter sind bekannt. Die hohe Anzahl
resultiert aus seiner ganz eigenen, konkurrenzlosen Spezialität, die keine
Parallele hat: Illustrationsfolgen zu hauptsächlich literarischen Sujets, die
sich als Unikate an Kenner und Liebhaber der Zeichenkunst richteten.
Bramer fertigte Folgen zum Alten und Neuen Testament, zu Ovids
»Metamorphosen« und anderen Vorlagen der Antike. Zudem beschäftigte er
sich immer wieder mit entlegenen, von anderen Künstlern nicht beachteten
Stoffen.

Lazarillo de Tormes
So entstanden 1646 72 Zeichnungen zum „Lazarillo de Tormes“, dem ersten
Pícaro- oder Schelmenroman überhaupt, die nun in der Ausstellung zu sehen
sind. Das Buch erschien 1554 in Spanien, um sodann in Übersetzungen
rasend schnell europaweit verbreitet zu werden. Hauptperson ist der Ich-
Erzähler Lazarillo, der sich im Milieu der Bettler und Taugenichtse mehr
schlecht als recht durchbringt. In lose gereihten Episoden wird die ganze
Härte im Leben der armen Leute geschildert, beginnend mit der
unerbittlichen Schule bereits des Kindes als Blindenführer. Nur durch
Schläue und kleinkriminelle Delikte vermag Lazarillo sich durchzuboxen. Bis
heute gilt der „Lazarillo“ in Spanien als das Volksbuch schlechthin, in seiner
ungebrochenen Popularität vergleichbar etwa mit dem, was Grimms Märchen
für die deutsche Seele bedeuten. Der stark antiklerikale Roman wurde
postwendend verboten, was lange illustrierte Ausgaben verhinderte.

Francisco Gomez de Quevedos – „Los Sueños“
Quevedos 1627 erschienene „Los Sueños“ – „Träume“ zählen dagegen zur
spanischen Hochliteratur. Francisco Gomez de Quevedo (1580–1645) stammt
aus einer Familie des niederen Adels. Neben seiner politischen Karriere
schuf er ein literarisches Werk durchsetzt von trübem Pessimismus und
getragen von herber Kritik an der spanischen Gesellschaft. Seine „Sueños“
sind zynische Extrakte, die „Missbräuche, Laster und Betrug in allen Berufen
und Ständen der Welt“ aufzeigen sollen. In mehreren Traumsequenzen
gelangt der Ich-Erzähler ins „Tollhaus der Verliebten“, wo er in burlesken
Episoden berühmte Persönlichkeiten aus der Vergangenheit trifft. Bramer ist
auch hierzu der erste Illustrator. Die in der Ausstellung gezeigten 60
Zeichnungen entstanden 1659.

Gezeichnete Unikate
Bramer war ein aufmerksamer Leser, der so gezielt wie genüsslich die
wesentlichen Stellen auswählte, um den Erzählfluss am Laufen zu halten.
Dem heutigen Auge erscheint die in den humoristischen Brechungen immer
wiederkehrende Situationskomik als geradezu slapstickartig. Bei den Zyklen
mit hoher Blattzahl folgen die Illustrationen in rascher Abfolge. Bramers
Vorgehensweise wurde bereits 1920 trefflich als „kinematographisch“
beschrieben. In der damaligen zeitgenössischen Illustration hat das keinen
Vergleich. Nach einem ersten konzentrierten Lesedurchgang dürften die
Szenen bekannt gewesen sein und man konnte das Illustrationsbuch alleine
betrachten.
Mit der Entscheidung für die gezeichnete Version und somit für nur einen
Rezipienten sind Besonderheiten verbunden. Das nicht öffentliche Publikum
macht Lösungen möglich, die eine allgemeine Publikation gewiss nicht
gestattet hätte. Witzige Spielereien mit traditionellen Motiven, Pikanterien
und Erotica sind ebenso eingestreut wie manche blasphemische Anspielung.
In einer streng calvinistischen Gesellschaft wäre das gedruckt und
vervielfältigt undenkbar gewesen. Bramer hatte einen Kundenkreis, der ihm
„carte blanche“ gab und auch erwartete, etwas Besonderes geliefert zu
bekommen.
Vita
Leonaert Bramer wurde am Heiligabend des Jahres 1596 in Delft geboren, wo
er 1674 78jährig starb. Seine Grand Tour führte Bramer 1615 nach Italien.
Dort lebte er, hauptsächlich in Rom bis 1628. In diesem Umfeld beeinflussten
ihn insbesondere Adam Elsheimer * 1578 Frankfurt am Main † 1610 Rom und
die Malerei der Caravaggisten. Zurück in seiner Geburtsstadt Delft, konnte sich Bramer
als gefragter Maler etablieren. Rund 350 Gemälde haben sich erhalten.
(Text: Pinakothek der Moderne, München)